Offener Brief an Bezirksbürgermeister Naumann, Baustadtrat Schruoffeneger und den Regierenden Bürgermeister Müller

Offener Brief an die politisch Verantwortlichen und Einladung

Sehr geehrter Herr Baustadtrat Schruoffeneger,
sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister Naumann,
sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller (als diesjähriger Spitzenkandidat der SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf),

um der fortschreitenden Verdrängung von MieterInnen in Charlottenburg etwas entgegenzusetzen, haben sich Mieterinitiativen, vornehmlich die MieterWerkStadt Charlottenburg, bereits seit 2013 für die Ausweisung von Milieuschutzgebieten eingesetzt. Beim Klausenerplatz-Kiez waren die Initiativen dabei letztlich erfolgreich, auch wenn eine Ausweitung auf das Areal Schloßstraße und Amtsgerichtsplatz dringend notwendig bleibt.

Bezirkliches Vorkaufsrecht in Charlottenburg-Wilmersdorf: noch nie genutzt…

Ein wirksamer Schutz für die MieterInnen vor Verdrängung ist dabei bisher nicht festzustellen, insbesondere weil das bezirkliche Vorkaufsrecht in Charlottenburg-Wilmersdorf noch kein einziges Mal genutzt wurde.

Es ist dabei zwangsläufig, dass ein Baustadtrat mit Hauseigentümern, die mit Wohnraum spekulieren, nicht auf Augenhöhe verhandeln kann, wenn zuvor nicht in einem einzigen Fall! die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts, trotz hoher Preise, geltend gemacht wurde. Um so notwendiger, hier endlich zugunsten des Milieuschutzes ein Zeichen zu setzen und damit die Handlungsfähigkeit und den Handlungswillen der Politik unter Beweis zu stellen. Lediglich einige Erhaltungsgebiete auszuweisen schützt MieterInnen noch nicht, erst die konsequente Nutzung der zur Verfügung stehenden Instrumente kann dazu beitragen.

Das Haus Seeling29 wurde verkauft

Auch das Haus Seeling29, in dem wir als Mietergemeinschaft wohnen, gehört seit dem 15. Januar 2019 zum Milieuschutzgebiet Klausenerplatz/Sophie-Charlotte-Platz. Es war seit 2006 als Spekulationsobjekt im Besitz der Marylebone GmbH.

Wir MieterInnen haben seit Jahren gegenüber der Bauaufsicht des Bezirkes auf die spekulativen Praktiken des Eigentümers und dem damit einhergehenden teilweisen Leerstand und der fehlenden Instandhaltung hingewiesen.

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen, am 22.12.2020, wurde das Haus zu einem Vielfachen des ursprünglichen Kaufpreises an einen uns unbekannten Investor verkauft.

Bezirkliches Vorkaufsrecht für die Seeling29 bis zum 8. März 2021 tatsächlich ausüben!

Seit Jahren steigen auch im Klausenerplatz-Kiez die Miet- und Bodenpreise rasant, zahlreiche Häuser wurden bereits verkauft und MieterInnen, Kitas und soziale Einrichtungen verdrängt.

Wir fordern Sie hiermit auf, das Vorkaufsrecht und alle weiteren Instrumente für tatsächlichen Milieuschutz zum Erhalt der sozialen Struktur und zum Schutz der MieterInnen vor Verdrängung durch Mietsteigerung und/oder Umwandlung in Eigentumswohnungen endlich einzusetzen!

Bitte werden Sie hier am Beispiel unseres Hauses Seeling29 tätig und ergreifen Sie die notwendigen Maßnahmen, damit das Vorkaufsrecht bis zum 8. März 2021 genutzt werden kann.

Die bisherige bezirkliche Praxis des Laissez-faire muss beendet werden…

Das Vorkaufsrecht in Charlottenburg-Wilmersdorf weiterhin nicht einzusetzen, bedeutet im Ergebnis auch darauf zu verzichten, dass durch den Bezirk von potentiellen Eigentümern weitgehende Zusicherungen zugunsten der Mieter*innen durchgesetzt werden können.

Der bezirkliche Vorkauf der Seeling29 kann Symbol und politisches Signal sein, dass den Gewinnmaximierungsstrategien der Spekulanten auch mit den aktuell zur Verfügung stehenden Mitteln etwas entgegengesetzt werden kann.

Wir MieterInnen sind jedenfalls nicht bereit, mit dem perspektivischen Verlust unserer Wohnungen und unseres Lebensumfeldes die politischen Versäumnisse der letzten Jahre zu bezahlen.

Wir fordern den konsequenten Einsatz aller Instrumente in den Sozialen Erhaltungsgebieten für tatsächlichen Mieterschutz.

Zu unserer Kundgebung laden wir Sie herzlich ein…

Am Samstag, den 13. Februar 2021, werden wir von 14-16 Uhr vor dem Haus Seeling29 eine Kundgebung durchführen, zu der wir Sie persönlich, Herr Schruoffeneger, Herr Naumann, Herr Müller, für einen kurzen Redebeitrag herzlich einladen.

Bereits zugesagt haben Frau Wibke Werner vom Berliner Mieterverein e.V., VertreterInnen der MieterWerkStadt Charlottenburg; Frau Ülker Radziwill MdA (SPD), Frau Lisa Paus MdB (Grüne) und AntragstellerInnen des Dringlichkeitsantrages „Vorkaufsrecht für die Seelingstraße 29“ von SPD/Grüne/Linke, der am 28.01.2021 erfolgreich in die BVV ChW eingebracht wurde.

Die geltenden Hygienevorschriften werden eingehalten.
Über eine kurze Bestätigung Ihrer Teilnahme würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen
die Mietergemeinschaft Seeling29